Viele Familienunternehmen stehen vor einer familieninternen Nachfolge. Als Vorbereitung erhalten die Nachfolger oft bereits Jahre vor ihrem Eintritt einen Einblick in die Finanzkennzahlen. Es ist jedoch ratsam, ein gesondertes Reporting für die Familienmitglieder aufzubauen, welche auf den Werten und Zielen der Unternehmerfamilie basiert.

Aufbau der Finanzkompetenz
Viele kleine und mittlere Familienunternehmen in der Schweiz verfügen über einen familiendominierten Verwaltungsrat, in dem die verschiedenen Generationen der Inhaberfamilie vertreten sind. Beispielsweise besteht der Verwaltungsrat aus dem Patron und einem oder mehreren Nachkommen, oder es werden sogenannte Familienversammlungen (informelle Gremien) gepflegt, in denen sich die Familie über die Belange des Familienunternehmens und der Unternehmerfamilie austauscht, ohne dass alle Teilnehmer bereits Aktionäre sind. Solche Konstellationen können auch als erster Schritt dienen, die Nachkommen für eine familieninterne Nachfolge aufzubauen und das Interesse dafür zu wecken. Dies geschieht idealerweise, wenn sich die Nachfolgegeneration im Alter von 20–30 Jahren befindet.
Es handelt sich also um eine Kommunikation von Finanzresultaten gegenüber den Stakeholdern aus der Inhaberfamilie. Diese Stakeholder nehmen weder eine reine Investorensicht ein, noch verfügen sie bereits über den nötigen operativen Erfahrungsschatz. Dies macht es anspruchsvoll für sie, die Finanzresultate einordnen zu können.
Meist findet dabei eine Berichterstattung zu den operativen, strategischen und finanziellen Resultaten des vergangenen Jahres statt. Es ist der Einfachheit geschuldet, dass dabei meist bereits bestehende Reports «wiederverwendet» werden und kein adressatengerechter Bericht zusammengestellt wird. Damit wird eine Chance vertan, und es entsteht die Gefahr für langfristige Missverständnisse oder gar Konflikte.

Chancen und Gefahren

Die Auseinandersetzung der Unternehmerfamilie mit dem Unternehmen und dessen Finanzzahlen ist eine Chance, die nächste Generation früh mit ihrer zukünftigen Rolle in Kontakt zu bringen. Mögliche Ziele eines solchen Prozesses können sein:
• Aufbau der Finanzkompetenz innerhalb der Nachfolgegeneration
• Vorbereitung auf eine zukünftige operative oder strategische Rolle im Unternehmen
• Einbinden der jungen Generation in die finanziellen Entscheide des Unternehmers – «gluschtig» machen

Das Vorgehen birgt aber auch Gefahren, sofern nicht genügend Vorbereitung und Aufmerksamkeit vorausgehen. Mögliche Gefahren können unter anderem sein:

• zu starker Fokus der Nachfolgegeneration auf die Dividende
• Überforderung bei der Interpretation der Resultate
• Entstehung von Konflikten zwischen Unternehmer und Nachkommen bei Investitionsentscheidungen
Die Chancen und Gefahren sind Ausdruck eines Grundsatzes: Die Unternehmerfamilie soll sich zuerst auf gemeinsame Ziele und Werte verständigen, welche als Leitlinie resp. Benchmark gelten können. Dies umfasst auch die Definition von Finanzzielen. Idealerweise geschieht dies in Form eines Workshops, dessen Resultate in einer Eigentümerstrategie erfasst werden.

Definition von Werten und Zielen

Die Werte und Ziele von Familienunternehmen unterscheiden sich oftmals deutlich von jenen eines kapitalmarktorientierten Unternehmens. Diese müssen sich – durch den Kapitalmarkt diktiert – auf kurzfristige Resultate ausrichten. Familienunternehmen hingegen bewerten die Kontinuität und die langfristige Stabilität meist höher als den kurzfristigen Erfolg.
Die Zieldefinitionen beinhalten dabei meist eine balancierte Zusammenstellung von kurz- und langfristigen Zielen, z.B.:
• Wachstums- und Rentabilitätsziele • Vorgaben zur finanziellen Gesundheit (z.B. Eigenkapitalquote resp. Verschuldungsgrad)
• Ausschüttungsquote • Wertschöpfung (EVA/ROCE/ROIC)
• Risikotragfähigkeit
Zu berücksichtigen ist, dass auch bei finanziellen Zielen oft Dilemmas bestehen, beispielsweise eine hohe Ausschüttungsquote und eine tiefe Verschuldung gehen nicht einher mit hohen Wachstumszielen. Es ist zentral, dass die definierten Ziele im Workshop auf solche Dilemmas kritisch hinterfragt werden. Die definierten Zielbereiche sollen anschliessend schriftlich in einer Eigentümerstrategie festgehalten werden.
Gleichzeitig werden viele Unternehmer auch nichtfinanzielle Ziele verfolgen, welche mit den finanziellen Zielen in Konkurrenz stehen, beispielsweise die Fortsetzung der unternehmerischen Ideen des Unternehmensgründers, die Verantwortung für Familie und Mitarbeiter oder die Aufrechterhaltung eines sozialen Status der Unternehmerfamilie.

Grundsätze für den Bericht

Aufbauend auf den Zieldefinitionen kann ein gesonderter Finanzbericht für die Nachfolger resp. die Stake holder aus der Familie erstellt werden, der möglichst einfach zu halten ist. Dieser unterscheidet sich zwar nicht grundlegend von ähnlichen Finanzberichten aus dem Corporate-Umfeld, er wird aber um didaktische Elemente ergänzt und auf das Wesentliche reduziert.
Er stellt die Ziele in der Eigentümerstrategie ins Zentrum und verwendet nachvollziehbare Finanzkennzahlen. Dabei sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
• Einordnen der Finanzkennzahlen in die Bereiche Operative Effizienz, Profitabilität, Liquidität, Stabilität und Wertschöpfung (siehe Tabelle)
• maximal einmal jährlich auf der Basis von bereinigten, betriebswirtschaftlichen Jahresabschlüssen
• Verwendung von erklärendem Fliesstext und/oder Definitionen der Kennzahlen
• über Perioden hinweg konsistent berechnet
• sowohl stichtagsbezogen als auch als Trend dargestellt
• Bezug zu den Zielen in der Eigentümerstrategie (Abweichungen, Bandbreiten etc.)
Zusätzlich sollte der Bericht eine kurze Interpretation der Finanzlage enthalten, welche Aufschluss über den Kontext gibt und den Zusammenhang mit den Zielen in der Eigentümerstrategie erstellt. Sinnvollerweise wird der Bericht durch den Finanzchef resp. den kaufmännischen Leiter des Unternehmens erstellt. Er kann aber auch durch den Verwaltungsratspräsidenten gestaltet werden.

Wertvolle Diskussion und Überarbeitung

Der Aufwand für die Erstellung eines solchen gesonderten Berichts mag gross erscheinen. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es sich um eine Investition in die Finanzkompetenz der Nachfolger handelt. Man stelle sich vor, dass die Finanzabteilung mit viel Aufwand Berichte verfasst, welche anschliessend von den Nachfolgern (den zukünftigen Unternehmensleitern) und den Stakeholdern der Familie nur ungenügend verstanden werden. Werden diese Verständnisfragen nicht früh geklärt, können Missverständnisse über Jahre weitergeführt werden. Der grösste Wert eines solchen Prozesses kann dadurch erlangt werden, dass der Bericht innerhalb einer kleinen Gruppe diskutiert, hinterfragt und allenfalls überarbeitet wird. Dadurch ergibt sich für die junge Generation die Möglichkeit, allfällige Verständnisfragen zu stellen und Wissenslücken zu schliessen. Es ist darauf zu achten, dass eine offene Fragekultur herrscht. Nur zu leicht schämen sich die angehenden Nachfolger, offenzulegen, dass sie nicht alles verstehen.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Familienunternehmen, welche eine familieninterne Nachfolge planen, tun gut daran, die nachfolgende Generation frühzeitig mit den finanziellen Resultaten des Unternehmens in Kontakt zu bringen. Es trägt zum Aufbau der Finanzkompetenz innerhalb der Familie bei und festigt das gegenseitige Verständnis. Vorgängig sollte sich die Unternehmerfamilie aber in einer Eigentümerstrategie auf die Werte und Ziele des Unternehmens verständigen, insbesondere auf die wesentlichen finanziellen Ziele. Ohne diesen Schritt sind die Risiken für Missverständnisse und Konflikte zwischen den Generationen hoch.
Es ist davon abzuraten, bestehende interne Finanzreports oder Jahresabschlüsse unkommentiert an die junge Generation weiterzuleiten. Der Aufbau einer gesonderten Finanzberichterstattung für die Stakeholder der Familie, welche didaktisch aufgebaut ist und Bezug auf die Ziele der Eigentümerstrategie nimmt, ist eine Investition in die Finanzkompetenz der zukünftigen Inhaber.
Artikel von Dr. Stefan Schneider, Partner CONTINUUM AG, WEKA Business Media, Herbst 2021
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