Über 14000 Ostschweizer Firmen brauchen in den nächsten Jahren einen Nachfolger. Rolf Brunner, Gründer der Nachfolgeberatung CONTINUUM AG, weiss, weshalb es oft nicht klappt – und wie man die nächste Generation einbezieht.

90000 Schweizer Firmen haben ein Nachfolgeproblem. Was heisst das?
Rolf Brunner: Man muss differenzieren: Ein grosser Teil davon sind Kleinstunternehmen, vom Coiffeur bis zum Berater. Wenn die aufhören, ist das nicht so schlimm. Aber es gibt auch grosse Unternehmen, die ihre Nachfolge regeln sollten. Hier hängen oft Hunderte von Arbeitsplätzen daran. Und an jedem von ihnen hängt eine Familie.

Was geschieht, wenn die keine Nachfolge finden?
Vielleicht wird das Unternehmen verkauft, restrukturiert oder gar liquidiert.

Gäbe es nicht einTestament?
Oft gibt esTestamente oderErbverträge – aber damit ist es nicht getan. Man kann damit nicht steuern, was mit dem Unternehmen passiert. Deshalb muss man sich vorher die entscheidenden Fragen stellen.

Welche denn?
Gibt es Familienmitglieder, die wollen und können? Gibt es Leute ausserhalb der Familie, die interessiert sind? Und man muss die Frage derBeteiligungen klären. Oft haben die Kinder oder Interessierte wenig Geld. Man muss Finanzierungslösungen finden. Eine Nachfolge ist per se kein Verkauf – der geht in ein paar Monaten über die Bühne. Eine Nachfolge dauert Jahre.

Wo setzen Sie an?
Erster wichtigster Schritt ist es, mit allen Beteiligten zu reden: der Unternehmerfamilie, den Kindern, aber auch wichtigen Mitarbeitenden, Verwaltungsräten, anderen Eignern.

Tönt kompliziert.
Ja, gerade wenn die Unternehmerfamilie verschiedene Stämme hat, die beteiligt sind. Da gilt es herauszufinden, wer was will, wer was von derUnternehmung erwartet, wer was kann. Und wer eben nicht kann oder will.

Woran scheitern Nachfolgelösungen?
In 60 Prozent der Fälle scheitert es an der Kommunikation. Oft glaubt der Vater, seine Kinder wollten nicht in die Firma – und diese glauben, erliesse sie nicht.

Man muss mit der Familie mehr übers Geschäft reden?
Man kann auch zu viel über das Geschäft reden, und die Kinder abschrecken. Wichtig ist, dass man transparent ist. Wir arbeiten an einem Fall, wo 12 Familienmitglieder aus drei Stämmen in der Firma mitarbeiten. Aber nur zwei kennen die Zahlen und wissen, wie es der Firma wirklich geht. Wenn man die Familie ins Unternehmen holt, muss man sie auch in die Verantwortung nehmen. Viele Unternehmer wären froh, die Kinder würden sich für die Firma interessieren.

Wie wird das Interesse geweckt?
Die Jungen, die einsteigen, waren oft schon als Kinder mit dem Vater im Geschäft, haben Papier gestapelt oder Holz herumgetragen. Auch hier gilt: Offen und transparent sein. Die Kinder gluschtig machen. Aber man muss aufpassen.

Worauf?
Man sollte nicht zu viele Erwartungen schüren, die man später nicht erfüllen kann. Das kann zu Verletzungen führen. Auch sollte man keinen Druck ausüben.

Sollte man die Familie früh ins Geschäft holen?
Das kann auch ein Problem sein. Es ist nicht gut für das Betriebsklima, wenn die Kinder bevorzugt werden. Es ist sinnvoll, wenn sie anderswo ihre Sporen verdienen. Man muss sie ihren eigenen Weg finden lassen – man kann auch erst Pfarrer werden, und dann noch die Firma übernehmen.

Welche Rolle spielen Generationenunterschiede?
Das ist ein wichtiger Punkt. Meine Generation, die Babyboomer, wird jetzt pensioniert. Die nächste Generation ist kleiner. Die Jungen, die nachkommen müssten, sind oft hervorragend ausgebildet.Aber sie wollen sich damit Lebensqualität ermöglichen. Sie wollen nicht wie ihre Eltern jeden Tag in die Firma.

Sind sie zu bequem?
Die Ausbildung dauert heute länger. Sie gründen erst Mitte 30 eineFamilie. Das ist oft auch der Zeitpunkt, wo sie ins Familienunternehmen einsteigen. Und dann sind sie oft sehr kreative, innovative Unternehmer.

Haben Sie ihre eigene Nachfolge geregelt?
Ich habe jüngere Partner, die immer wichtigere Rollen übernehmen. So kann ich auch öfter mal eine Auszeit nehmen. Aber auch mein Sohn will das Geschäft nicht übernehmen. Er ist aber im Verwaltungsrat und bringt hier sein Know-how der Digitalisierung für uns und unsere Kunden ein.

Enttäuscht Sie das?
Überhaupt nicht. Es wäre nicht gut, ihn von etwas überreden zu wollen, was er nicht will.

Interview mit Rolf Brunner, Partner und VR-Präsident der CONTINUUM AG, St.Galler Tagblatt, 21. April 2022

 

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